Projekt für koordiniert-vernetzte Versorgung nach Schlaganfall

Der Projekttitel STROKE OWL bedeutet: Sektorübergreifend organisierte Versorgung komplexer chronischer Erkrankungen am Beispiel Schlaganfall durch Schlaganfall-Lotsen in der Pilotregion Ostwestfalen-Lippe (kurz: STROKE steht aber auch für die engl. Bedeutung „Schlaganfall")

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Wichtigste Fakten zum Projekt finden Sie hier.

STROKE OWL

So arbeiten Schlaganfall-Lotsen

  • Der Schlaganfall-Lotse nimmt den Patienten bereits auf der Stroke Unit (Schlaganfall-Station) unter Berücksichtigung bestimmter Bedingungen in sein Betreuungsprogramm auf. Er besucht ihn anschließend in der Reha-Klinik und zu Hause.
  • Schlaganfall-Lotsen haben Erfahrung in der Behandlung von Schlaganfall-Patienten. Sie haben einen pflegerischen oder therapeutischen Hintergrund und im Idealfall eine Case Management Weiterbildung absolviert. Case Management (Fall-Begleitung) ist eine im Sozial- und Gesundheitswesen anerkannte Methodik, die zum Einsatz kommt, wenn komplexe Versorgungspläne mit vielen Dienstleistern zu organisieren sind. 
  • Der Lotse informiert und berät den Patienten und seine Angehörigen. Er dokumentiert die Behandlungen und koordiniert die Maßnahmen, unterstützt bei der Beantragung von Hilfsmitteln, der Suche nach einem Pflegedienst oder bei notwendigen Umbaumaßnahmen zu Hause. Er achtet auf die Therapietreue der Patienten, auf die Kontrolle von Risikofaktoren und motiviert sie zur Änderung ihres Lebensstils (z.B. durch ein Raucherentwöhnungsprogramm).
  • Der Lotse betreut den Patienten ein Jahr lang. Er ersetzt keinen Hausarzt, sondern ist eine optimale Unterstützung und Ergänzung zum Hausarzt.
Dr. Michael Brinkmeier, Ingrid Fischbach, Dr. Brigitte Mohn

Den offiziellen „Startschuss" für STROKE OWL gab Ingrid Fischbach, Patientenbeauftragte der Bundesregierung und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, in ihrer Keynote zur 4. Lotsentagung Schlaganfall am 5. Oktober 2017 in Gütersloh, gemeinsam mit Dr. Brigitte Mohn (Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe) und Dr. Michael Brinkmeier (Vorstandsvorsitzender).

Die Projektlaufzeit ist vom 1. Oktober 2017 bis 30. September 2021. Die wissenschaftliche Evaluation erfolgt laufend sowie abschließend nach diesem Zeitraum.

Das Projekt wird mit 7,1 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Bundes gefördert.

Schlaganfall-Patienten in OWL

  • ca. 6.000 bis 7.000 Schlaganfälle ereignen sich jährlich in OWL
  • davon werden rund 1.600 Patientinnen und Patienten in das Lotsen-Projekt aufgenommen

Personalbedarf für das Projekt

17 hauptamtliche Schlaganfall-Lotsen werden bis März 2021  rund 1.600 Patienten jeweils 12 Monate  betreuen.  Zehn Mitarbeiter sind im Projektteam  tätig.

Wissenschaftliche Evaluation

Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld führt die wissenschaftliche Evaluation des Projektes durch. Im Rahmen dieser Untersuchung werden medizinische Daten sowie Daten zur Lebensqualität und selbstbestimmten Lebensführung zu verschiedenen Zeitpunkten erhoben und ausgewertet.

Darüber hinaus erfolgt auf Basis von Abrechnungsdaten der beteiligten Krankenkassen ein Vergleich der an dem Projekt teilnehmenden Patienten mit einer Kontrollgruppe aus dem Münsterland und Sauerland, deren Alter und Lebensbedingungen den ostwestfälischen Patienten ähneln. Der Vergleich erfolgt vornehmlich hinsichtlich der Kosten der Gesundheitsversorgung sowie der Häufigkeit von erneut auftretenden Schlaganfällen. Erwartet wird, dass die Modellregion OWL durch weniger Rezidive gekennzeichnet ist.

Warum braucht Deutschland Schlaganfall-Lotsen?

Der Schlaganfall ist mit 270.000 Betroffenen jährlich eine der großen Volkskrankheiten in Deutschland. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird die Zahl weiter steigen. Der Schlaganfall ist auch der häufigste Grund für Behinderungen im Erwachsenenalter. Fast zwei Drittel der Überlebenden sind dauerhaft auf Unterstützung, Therapie, Hilfsmittel oder Pflege angewiesen.

So stellt sich die Versorgungssituation von Schlaganfall-Patienten in Deutschland dar:

Notfallversorgung 

...ein hervorragend strukturiertes und organisiertes Rettungswesen, schnell und zuverlässig wie in kaum einem anderen Land.

Akutversorgung

...auf einem hohen Qualitätsniveau. Über 300 zertifizierte Stroke Units (Schlaganfall-Spezialstationen) und telemedizinische Netzwerke für ländliche Gebiete sorgen für eine fast flächendeckend hervorragende Versorgung. Probleme gibt es an den Schnittstellen zur Rehabilitation und Nachsorge.

Rehabilitation 

...kann ebenfalls fast ausschließlich auf evidenzbasierte, wissenschaftlich fundierte Therapiekonzepte setzen, diese bedeuten für Betroffene eine hervorragende Vorbereitung auf die Rückkehr in den Alltag. Probleme gibt es an den Schnittstellen zur Nachsorge.

Nachsorge 

...hier besteht nach wie vor viel Potenzial für Verbesserungen und neue Versorgungskonzepte.

  • Lange Therapie-Pausen nach der Klinik sorgen dafür, dass erste Erfolge wieder verlorengehen – schlimm für den Patienten, extrem teuer für das System. (1)
  • Die weitere Rehabilitation der Patienten ist abhängig vom sozialen Status und den familiären Verhältnissen. Ein großer Teil der Patienten ist mit der selbständigen Organisation der weiteren Behandlung überfordert. (2)
  • Eine große WHO-Studie hat gezeigt, dass sich nach kurzer Zeit nur noch 50 Prozent der chronisch kranken Patienten therapietreu verhalten. Insbesondere Schlaganfall-Patienten brauchen Anleitung, Beratung und Motivation, sonst ist die Gefahr für einen zweiten, oft deutlich schwereren Schlaganfall sehr groß. (3)
  • Rund ein Drittel der Patienten, so schätzen Ärzte und Psychologen, entwickelt nach dem Schlaganfall eine depressive Erkrankung. Häufig wird sie nicht erkannt und behandelt. (4)

Quellen:

  • (1) Online-Umfrage 2013 der Schlaganfall-Hilfe: Mehr als ein Drittel der Patienten hatte 14 Tage nach Entlassung aus der stationären Reha noch keine Verordnung für weitere Therapien
  • (2) „Luxemburg-Studie" 2015: viele Schlaganfall-Patienten sind in der Nachsorge orientierungslos und zeigen depressive Tendenzen; eindeutiger Zusammenhang mit dem Bildungs- und Einkommensniveau;
    http://orbilu.uni.lu/handle/10993/19752
  • (3) ADHERENCE TO LONG-TERM THERAPIES - Evidence for action (WHO, 2003); 
    http://www.who.int/chp/knowledge/publications/adherence_full_report.pdf
  • (4) Die Inzidenz von 1/3 aller Schlaganfall-Patienten mit einer Post Stroke Depression wird in der wissenschaftlichen Literatur am häufigsten genannt. Praktiker gehen davon aus, dass die PSD mindestens 1/3 der Patienten trifft.

Das können Schlaganfall-Lotsen erreichen

  • Therapietreue erhöhen und dadurch das Rehabilitationsergebnis und die Lebensqualität des Patienten nachhaltig verbessern
  • Pflege verhindern oder Pflegeaufwände verringern
  • einen längeren Verbleib in der eigenen Wohnung ermöglichen
  • einen wiederholten Schlaganfall verhindern durch wesentliche Unterstützung in der Sekundärprävention

Weitere Detail-Informationen rund um das Thema "Schlaganfall" halten wir hier in unserem Portal der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe für Sie bereit.