Schlaganfall-Lotsen für ganz Deutschland?

Diese Vision wird immer realistischer, wie das Zwischenfazit des Projekts STROKE OWL zeigt.

100 Projektbeteiligte kamen in Bielefeld zusammen und diskutierten den aktuellen Stand des Modellprojekts. „Wir wollen am Ende zu den Top-5 der Innovationsprojekte zählen“, gab Schlaganfall-Hilfe-Vorstand Michael Brinkmeier die Parole für die zweite Halbzeit der Projektlaufzeit aus. STROKE OWL ist eines von 171 Modellprojekten im Bereich Versorgungsforschung, das mit rund 7 Millionen Euro durch den Bund gefördert wird.

Schlaganfall-Lotsen begleiten Patienten ein Jahr lang

845 Patienten werden aktuell in Ostwestfalen-Lippe von 17 Schlaganfall-Lotsen betreut. Mindestens 1.600 Patienten sollen es noch werden, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Ein Jahr lang werden die Patienten begleitet. Die Lotsen helfen ihnen bei der Organisation ihrer Behandlungen, der Beantragung von Hilfsmitteln, Umbauten oder Rehamaßnahmen und unterstützen bei der Umstellung des Lebensstils. Mit Hilfe einer vom OFFIS e. V. entwickelten digitalen Belotsungakte ("Lotsen App") werden die Daten der Betroffenen erfasst und unter Wahrung des  Datenschutzes verschlüsselt verarbeitet.

Begleitstudie von der Uni Bielefeld

Am Ende sollen die so betreuten Patienten keine erneuten Schlaganfälle erleiden und eine deutlich höhere Lebensqualität genießen. Ob dem so ist, wird die Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Uni Bielefeld in einer Begleitstudie ermitteln. Dafür vergleichen die Wissenschaftler die betreuten mit den Daten vergleichbarer Patienten aus dem Münster- und Sauerland, die ihnen anonymisiert von den im Projekt beteiligten Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden.

Einfluss auf das Gesundheitssystem

Lotsen und betreute Patienten gaben auf der Bielefelder Tagung ausnahmslos positive Rückmeldungen über den Projektverlauf. Schlaganfall-Lotsen seien „Fü(h)r-Sprecher der Patienten“, sie hätten sich als „Türöffner zu den Leistungsanbietern in der Region“ erwiesen und schafften es, „die medizinischen mit dem Netz der sozialen Hilfen zusammenzubringen.“ Matthias Sitzer, Chefneurologe des Klinikums Herford, erkennt schon jetzt positive Ergebnisse: „Ein ganz großer Erfolg des Projektes ist es, dass es Einfluss nehmen kann auf das starre Gesundheitssystem“.

Erfolg wird messbar sein

„Bei positiver Evaluation wird die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Case-Management bzw. die Unterstützung eines Lotsen auch seitens der IKK classic befürwortet“, so Tim Hollmann, Leiter Geschäftsbereich Versorgungsmanagement, in seinem Ausblick. Bis der Erfolg messbar wird, dauert es allerdings noch. Objektive Ergebnisse der Evaluation werden erst nach Abschluss des Projekts vorliegen. Ob und wie Schlaganfall-Lotsen im deutschen Gesundheitssystem verankert werden, wird sich erst danach entscheiden. „Wir wollen aber alle, dass es weitergeht. Deshalb brauchen wir kreative Lösungen, wie wir den Zeitraum bis zum Ergebnis der Evaluation überbrücken können“, mahnte Barbara Steffens, Landeschefin der Techniker Krankenkasse in Nordrhein-Westfalen.

Schlaganfall-Lotse als Prototyp für andere Langzeitversorgungen

Diese Herausforderung sieht auch Michael Brinkmeier. Für die Frage der Finanzierung auf Dauer werde es am Ende politische Lösungen geben, beispielsweise einen „Topf“, der aus allen Quellen gespeist werde, die von der Lotsentätigkeit profitieren (Krankenversicherung, Rentenversicherung etc.). Möglicherweise wird die Politik hier in viel größeren Dimensionen denken, als das Projekt STROKE OWL bisher. Brigitte Mohn, Kuratoriumsvorsitzende der Schlaganfall-Hilfe: „Der Schlaganfall-Lotse ist ein Prototyp für andere Langzeitversorgungen“.