Seiner Frau Sabine ist sofort klar: Ihr Mann hatte einen Schlaganfall. „Ich habe die Symptome zum Glück erkannt und beim Notruf meinen Verdacht erwähnt.“ Dann überschlagen sich die Ereignisse: Aufgrund von Corona-Beschränkungen darf Sabine nicht mit in die Klinik fahren. Per Telefon erfährt sie, dass Stefan eine Hirnblutung hatte und umgehend operiert werden muss. Ob er jemals wieder aufwachen wird, kann ihr niemand sagen.
„Dieser Tag war so furchtbar“, erinnert sie sich. Nach Stunden des Bangens erreicht sie die erlösende Nachricht: Der Eingriff ist gut verlaufen. Ab sofort feiern die beiden jeden noch so kleinen Fortschritt, den Stefan macht. Doch die 56-Jährige ist ehrlich: „Ich arbeite seit drei Jahren am Limit – und manchmal auch darüber hinaus.“ Stefan ist motiviert, lässt sich auf Therapien und Unterstützung ein. Sein Zustand verbessert sich über die Jahre, doch es ist wie es ist: Ein solcher Schicksalsschlag belastet eine Familie nachhaltig.
Ein wahrer Kraftakt
Stefans linke Körperhälfte ist gelähmt, Laufen kann er nur wenige Schritte. Hinzu kommen unsichtbare Folgen seines Schlaganfalls: Konzentrations- und Wahrnehmungsstörungen, eine reduzierte Ausdauer, Frust und Verdruss über Aktivitäten, die schlicht nicht mehr möglich sind – Autofahren zum Beispiel. Dazu gehen Tag für Tag wechselnde Pflege- und Therapiefachkräfte im Haus der Wintersteins ein und aus. Mit all dem umzugehen, ist ein Kraftakt – für die gesamte Familie.
Dass die Nachsorge in Form von Logopädie sowie Physio- und Ergotherapie nach der Reha zu Hause so nahtlos weiterging, ist Sabines Verdienst. Sie hat sich frühzeitig informiert und gekümmert, weil sie zuvor im Bekanntenkreis mitbekommen hatte, wie langwierig und schwierig dieser Prozess sein kann. Dies ist nur eins von vielen Beispielen für die zahlreichen organisatorischen Aufgaben, die nach einem Schlaganfall in der Familie von jetzt auf gleich auf die Angehörigen zukommen.
Was in den ersten zwei Jahren nach Stefans Hirnblutung erschwerend hinzu kommt: Die Abwicklung seiner IT-Firma. Das haben Sabine, die hauptberuflich als Lehrerin tätig ist, und ihre gemeinsame Tochter übernommen. „Buchhaltung, Versicherung, all der ganze Papierkram – wir hatten davon kaum eine Ahnung und mussten uns das alles aneignen. Das war eine unfassbar anstrengende Zeit“, erinnert sich Sabine.
Das Wichtigste: Verständnis füreinander
Stefan weiß um die Last, die seine Frau seit Jahren schultert. Die beiden meistern ihren neuen Alltag, weil sie immer und immer wieder Verständnis füreinander aufbringen, so schwer das manchmal auch fällt. „Anders ginge es nicht“, sind sich die beiden bewusst. Sabine braucht Geduld, wenn Stefan etwas länger für einen Gedanken oder eine vermeintlich einfache Handlung braucht. Er wiederum Nachsicht, wenn ihre Zündschnur mal etwas kürzer ist.
Als Sabine eines Tages über eine Selbsthilfegruppe auf die Schlaganfall-Hilfe stößt, findet sie die Unterstützung, die sie sich von Anfang an gewünscht hatte. „Endlich weiß ich, an wen ich mich mit Fragen oder Sorgen wenden kann.“ Das hatte sie sich bereits von der Akut- und Rehaklinik erhofft. Doch dort steht die Behandlung der Patientinnen und Patienten im Fokus, die Begleitung der Angehörigen findet nur in den seltensten Fällen statt.
Die Schlaganfall-Hilfe macht Mut
Bei Veranstaltungen der Schlaganfall-Hilfe lernen Stefan und Sabine andere Betroffene kennen und erfahren einen wertvollen Austausch. Auch die Geschichten und Informationen im Gesundheitsmagazin der Stiftung machen ihnen Mut. „Ich erinnere mich an die erste Thala, die ich in der Hand hielt. Darauf war ein Paar abgebildet, etwa in unserem Alter.“ Sabines Miene erhellt sich, während sie davon erzählt. „Sie sahen so glücklich aus – trotz Schlaganfall. Da wusste ich: Es gibt Hoffnung!“ Die Krönung der Geschichte: Als Sabine und Stefan das erste Mal an einem mehrtätigen Erfahrungsaustausch der Stiftung teilnehmen, staunen sie nicht schlecht, als plötzlich genau dieses Paar durch die Tür hereinspaziert. „Wir waren uns auf Anhieb sympathisch und haben bis heute Kontakt“, freuen sich die beiden sichtlich.
Dank der Angebote der Stiftung und vor allem dank ihres bemerkenswerten Zusammenhalts, haben Sabine und Stefan einen Weg gefunden, ihr neues Leben zu meisten. Jetzt freuen sie sich, anderen Familien mit ihrer Geschichte Mut zu machen – so wie das andere Paar, das ihnen einst Hoffnung schenkte.
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