Wichtige Urteile zur Teilhabe
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Wichtige Urteile zur Teilhabe

Das Bundessozialgericht (BSG) hat zwei wichtige Urteile zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung gesprochen.

Außergewöhnliche Gehbehinderung

Ein wegweisendes Urteil sprach das BSG in Bezug auf das Merkzeichen „aG“. Dieses Merkzeichen für „außergewöhnliche Gehbehinderung“ steht laut Gesetz schwerbehinderten Menschen zu, die in ihrer Mobilität erheblich eingeschränkt sind, was einem Grad der Behinderung von mindestens 80 entspricht. Eine erhebliche Teilhabebeeinträchtigung liegt vor, wenn sich die betroffene Person aufgrund der Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung bewegen kann.

 

Das BSG entschied nun, dass es für die Zuerkennung des Merkzeichens aG nicht darauf ankommt, dass man in allen Lebensbereichen gehunfähig sein muss. Ein freies Gehen in vertrauter und bekannter Umgebung steht der Anerkennung des Merkzeichens nicht grundsätzlich entgegen. Zur vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (§ 229 III 2 SGB IX) gehört es vielmehr, dass Menschen auch unbekannte Einrichtungen und Umgebungen aufsuchen können.

 

Dem vierzehnjährigen Kläger wurde damit final und höchstrichterlich Recht zugesprochen. Er leidet an einer psychischen Beeinträchtigung infolge eines Gendefekts. Zuvor wurde ihm entgegengehalten, dass er nicht dauerhaft eingeschränkt sei (im Sinne des § 229 SGB IX), weil er sich immerhin zu Hause und im Schulgebäude noch frei fortbewegen kann. Lediglich in unbekannter Umgebung ist er auf Rollstuhl, Rehabuggy oder Begleitperson angewiesen. Nach Überzeugung des BSG reicht das für die Zuerkennung des Merkzeichens aG aus.

 

BSG B9 SB 8/21 R vom 9. 3. 2023 (Merkzeichen aG)

 

Reisekosten für Begleitung

In einem anderen Fall hat das Bundessozialgericht entschieden, dass der Sozialhilfeträger im Rahmen früherer „Eingliederungshilfe“ (nach § 19 III SGB XII) auch Reisemehrkosten für Begleitpersonen des Leistungsberechtigten zu übernehmen hat. In dem vorliegenden Fall kam es nicht darauf an, dass die Urlaubsreise an sich dem Zweck der Eingliederungshilfe dient. Maßgeblich war vielmehr, dass die einwöchige Urlaubsreise auf einem Kreuzfahrtschiff ein legitimes, angemessen soziales Teilhabebedürfnis für den Kläger als Mensch mit Behinderung darstellt. Das rechtfertige die Kostenübernahme seiner Begleitpersonen, weil die Mehrkosten allein aufgrund seiner Behinderung anfallen.

 

BSG B8 SO 13/20 R vom 19. 5. 2022 (Urlaubsmehrkosten für Begleitperson)