Anders gut

Vom Geschäftsführer zum Frührentner – Jörg Zuber erlebte das durch einen Schlaganfall mit 49 Jahren. Doch der Ilsfelder hat nicht aufgegeben und sich zurück ins Leben gekämpft.

Der 20. Mai 2016: Jörg Zuber bricht mit zwei seiner vier Kinder, seinem besten Freund und dessen Kindern zu einer Radtour auf. Mit dem Zug soll es von Heilbronn nach Hannover gehen, von da aus weiter mit dem Fahrrad nach Hamburg. Doch schon am Morgen fühlt er sich nicht gut, er merkt: „Da stimmt etwas nicht.“ Die Verantwortung und Vorfreude auf die gemeinsame Unternehmung wiegt jedoch schwerer, Zuber verzichtet auf einen Arztbesuch. Während der Zugfahrt geht es ihm dann immer schlechter. Beim Ausstieg in Hannover bricht er schließlich auf dem Bahnsteig zusammen.

 

Kurios: Zunächst verbessert sich Jörg Zubers Zustand danach wieder, sodass ihn der herbeigerufene Rettungswagen zuerst gar nicht mitnehmen will. Doch Zubers Freund bleibt hartnäckig – zum Glück! Denn auf dem Weg ins Krankenhaus trifft ihn der zweite Schlaganfall. „Ab da kann ich mich an nichts mehr erinnern“, so Zuber. Für ihn und seine Familie kommt dieses Ereignis im wahrsten Sinne des Wortes schlagartig. Denn vorher gibt es für den Ilsfelder nur ein Tempo: Vollgas. Als Geschäftsführer in einem Konzern trägt er jahrelang viel Verantwortung und gestaltet erfolgreich seine Karriere.

 

Von jetzt auf gleich ist das vollkommen anders. Die rechte Körperhälfte von Jörg Zuber ist gelähmt, seine Sprache stark betroffen. Eine anstrengende Zeit beginnt für ihn. Innerhalb von eineinhalb Jahren absolviert er sechs Reha-Aufenthalte. Auch zuhause gehören Logopädie, Ergo- und Physiotherapie sowie Gedächtnistraining zu seinem neuen Alltag. Mit Erfolg: Heute ist Zubers Aphasie (Sprachstörung) nur noch manchmal zu merken. Seine Halbseitenlähmung hat sich deutlich gebessert. Und trotzdem ist sein Leben nicht wie vor dem Schlaganfall: Sein Kurzzeitgedächtnis sowie Konzentrations- und Belastungsfähigkeit sind weiterhin betroffen, er ist mittlerweile Frührentner.

 

Eine ganz besondere Therapeutin auf vier Pfoten hat Jörg Zuber auf seinem Weg zurück ins Leben geholfen: Labradorhündin Ginny, der Mittelpunkt der 7-köpfigen Patchworkfamilie.

Sie gibt ihm eine Aufgabe und sorgt auf den täglichen Gassi-Runden dafür, dass Zuber regelmäßig in Gespräche mit anderen Spaziergängern verwickelt wird. Ein ideales Training für Zubers Handicaps. Er und Ehefrau Tanja Eggers sind sich einig: „Unsere Hündin ist ein echter Glücksgriff.“ Und von Ginnys besonderen Fähigkeiten profitiert nicht nur Jörg Zuber. Denn gemeinsam haben Hund und Herrchen eine zertifizierte Besuchshunde-Ausbildung absolviert. Seitdem sind sie regelmäßig in Kindergärten oder Seniorenheimen zu Gast und ermöglichen dort den Kontakt zum besten Freund des Menschen.

 

Die Arbeit mit seiner Hündin hat Jörg Zuber geholfen, einen neuen Sinn in seinem Leben zu finden. Ebenso wie das gemeinsame Engagement mit seiner Frau. Zusammen machen sie in Unternehmen und an Hochschulen auf das Thema Schlaganfall aufmerksam, sensibilisieren für die körperlichen Anzeichen und gesunde Performance. In ihren gemeinsamen Vorträgen berichtet sie aus der Perspektive der Angehörigen, er bringt die Betroffenenperspektive ein. Jörg Zuber thematisiert dabei auch Fragen wie: Was bin ich ohne Status? Wie gehe ich mit Veränderungen im Leben um? Darf ich Schwäche zeigen? Dies hat eine tiefgreifende Wirkung.

Wenn mein Mann spricht, ist es oft mucksmäuschenstill im Raum.
Tanja Eggers

Auch am Telefon stehen die beiden parat, wenn Schlaganfall-Betroffene anrufen und um Ratschlag bitten. Tanja Eggers, selbstständige Unternehmerin in der Region Heilbronn, hat zusätzlich noch ein Studium des Betrieblichen Gesundheitsmanagements absolviert. Ihre Erfahrungen teilen Zuber und Eggers außerdem im lokalen TV-Sender und im Fachbuch „Perspektive PatchWork“ (Springer Verlag, 2022), ein Kapitel ist dem Umgang mit Schlaganfall gewidmet. Gleichzeitig möchte das Ehepaar Mut machen und Hoffnung schenken, in dem sie zeigen, was nach einem Schlaganfall wieder möglich sein kann. Beide betonen: „Unser Leben ist seit dem Schlaganfall anders – anders gut.“

 

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