Überforderung im Job
„Junge Schlaganfall-Betroffene neigen dazu, schnell wieder in den Beruf zu streben", sagt der Kölner Psychologe Manfred Smeja. „In vielen Fällen scheint der Zeitpunkt verfrüht und es werden noch weitere Hilfen benötigt." Manche Einschränkung falle in der Klinik nicht auf, sie mache sich erst unter realen Bedingungen bemerkbar. Wenn äußerlich kaum Beeinträchtigungen wahrnehmbar sind, neigen Betroffene, aber auch ihr Umfeld, schnell zu Überschätzung. Oft sei das der Beginn einer Odyssee. „Es kommt zu Überforderung am Arbeitsplatz und zu Missverständnissen. Dann bricht das Kartenhaus zusammen, Krankschreibung oder Entlassung stehen am Ende", berichtet Smeja.
Nur ein Viertel schafft Vollzeit
Der Psychologe leitet den Integrationsfachdienst reintegro. Die berufliche Wiedereingliederung von Schlaganfall-Patienten ist einer seiner Schwerpunkte. Wie schwer sich ein Schlaganfall auf die Belastbarkeit der Patienten auswirkt, machen seine Erfahrungswerte deutlich. Ein Großteil der Betroffenen kann nicht an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren, sondern muss Tätigkeiten mit geringeren Anforderungen übernehmen. Etwa ein Viertel der Betroffenen schaffe den Weg in die Vollzeittätigkeit. Für die Hälfte komme lediglich eine Teilzeitbeschäftigung in Betracht. Der Prozess bis dahin dauere – je nach Patient und Schweregrad des Schlaganfalls – sechs bis zwölf Monate. „Es kann in Einzelfällen auch mal bis zu zwei Jahre und länger brauchen", so Smeja. Und auch das gehört zur Wahrheit: Ein Drittel bis ein Viertel der Patienten bleibt arbeitsunfähig.
Frühe Aufklärung ist besser
Wann und wie man Patienten ihre Perspektiven aufzeigt, ist für Ärzte und Psychologen oft schwer zu entscheiden. Schließlich ist dem Patienten nicht damit geholfen, dass man ihn desillusioniert. Dann wird er vermutlich nicht einmal sein ohnehin vermindertes Potenzial abrufen können. Smeja ist dennoch ein Verfechter einer möglichst frühen Aufklärung. Denn je länger sich ein Patient in der Vorstellung wiege, alles werde wie früher, desto größer sei am Ende die Fallhöhe. „Aber dabei braucht es viel Fingerspitzengefühl", sagt Smeja
Die Rolle der Angehörigen
Können Angehörige den Prozess unterstützen? „Können sie, aber sie können auch manches falsch machen", warnt der Psychologe. Häufig hätten Betroffene und Angehörige sehr unterschiedliche Wahrnehmungen. Arzt oder Coach müssten darauf achten, dass die Positionen nicht auseinanderdriften. Angehörige neigten zu übergroßer Vorsicht, was bei Patienten zu Unsicherheit und latenten Aggressionen führe. „Am Ende gehen sie in ihrer Patientenrolle auf, dann gibt es kaum noch ein Zurück", so Smeja. „Angehörige sollten die Betroffenen nicht schonen, sondern aufbauen und Mut zusprechen."