Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn es nicht für jeden Lebensbereich Gesetze gäbe, so auch für das Autofahren nach Schlaganfall. „Wer sich infolge körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen nicht sicher im Verkehr bewegen kann, darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet“, heißt es in Paragraf 2 der Fahrerlaubnisverordnung. Entscheidend ist der nächste Satz: „Die Pflicht zur Vorsorge, namentlich durch das Anbringen geeigneter Einrichtungen an Fahrzeugen, durch den Ersatz fehlender Gliedmaßen mittels künstlicher Glieder, durch Begleitung oder durch das Tragen von Abzeichen oder Kennzeichen, obliegt dem Verkehrsteilnehmer selbst oder einem für ihn Verantwortlichen.“
Was genau muss ich tun, um ausreichend Vorsorge zu treffen?
Sonst beschreiben Gesetze konkret, was erlaubt und was verboten ist. An dieser Stelle bleibt der Gesetzgeber unkonkret, überlässt die Verantwortung seinen Bürgerinnen und Bürgern. Sollte es zu einem Unfall kommen, müssen Schlaganfall-Betroffene nachweisen können, dass sie alles Notwendige getan haben, um Vorsorge zu treffen, dass sie niemanden gefährden. Ein komplexes Thema, das viele überfordert. Sie fragen sich zu Recht: Was genau muss ich tun, um ausreichend Vorsorge zu treffen? In unserem Themenschwerpunkt fassen wir die wichtigsten Fakten zusammen.
Differenzierte Beurteilung für Berufskraftfahrer und -fahrerinnen
Neue Hoffnung können möglicherweise Berufskraftfahrer und -fahrerinnen schöpfen. Bisher ist es so, dass für sie ein Schlaganfall einem Berufsverbot gleichkommt. Begründet ist dies vor allem in der Sorge, die Betroffenen könnten einen erneuten Schlaganfall erleiden. Am Steuer eines großen Lkw oder eines vollbesetzten Busses könnte das schwerwiegende Folgen haben. Dabei weisen Verkehrsmediziner seit geraumer Zeit darauf hin, dass man in der Beurteilung dieses Sachverhalts differenzierter vorgehen sollte.
Empfehlungen im Positionspapier "Fahreignung bei Hirngefäßerkrankungen"
Und so könnte es möglicherweise kommen: Ende 2018 haben mehrere Neuro-Fachgesellschaften ihre Empfehlungen in dem Positionspapier „Fahreignung bei Hirngefäßerkrankungen“ zusammengefasst. Darin haben die Mediziner die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass es durch einen wiederholten Schlaganfall zu einem Verkehrsunfall von Pkw oder Bus mit Personenschaden kommt. Nach ihrer Berechnung bewegt sich das leicht erhöhte Risiko in einem Rahmen, der in vielen anderen Ländern toleriert wird. Nun liegen die Hoffnungen auf der Bundesanstalt für Straßenwesen. Sie gibt die „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrteignung“ heraus und wird sich bei der nächsten Aktualisierung mit diesem Punkt befassen müssen. Gut möglich, dass es zu einer Aufweichung des quasi strikten Fahrverbotes kommt und dass künftig – nach individueller medizinischer Begutachtung – auch das Führen eines Lkw oder Bus nach Schlaganfall möglich sein könnte. Die Deutsche Schlaganfall-Hilfe unterstützt diese Initiative. Wir werden berichten, wie es weitergeht.