Das Leben zurückerobert

Im Alter von 42 erleidet Ralf Illing einen Schlaganfall. Heute hat der Ulmer viel von seinem alten Leben zurückgewonnen und setzt sich für andere Betroffene ein.

Als Ralf Illing im September 2022 abends in einem Bett der Intensivstation des Bundeswehrkrankenhauses (BWK) Ulm aufwacht, dämmert ihm, dass etwas Schlimmes passiert sein muss. „Ich habe versucht, meine Frau in Böfing anzurufen“, erinnert er sich. Die Nummer weiß Ralf Illing nicht mehr. An das, was zuvor passiert ist, kann sich der Ulmer nur bruchstückhaft erinnern.

 

Ralf Illing ist 44 Jahre alt, Vater von drei Kindern, Wirtschaftsinformatiker, Nichtraucher und begeisterter Tennisspieler. Er fühlt sich gesund. Dann kommt dieser Donnerstag im September 2022. Es ist die letzte Woche der Sommerferien. Eben noch sitzt Ralf Illing mit seiner Familie am Frühstückstisch, bevor er mit großen Schritten die Treppe hinauf ins Dachgeschoss hoch eilt, wo er sein Homeoffice eingerichtet hat. Oben angekommen, fällt er um wie ein Baum. „Da traf mich der Schlag – ohne jede Vorwarnung“, sagt der 44-Jährige über den Moment, der sein Leben völlig veränderte.

 

Seine Frau Anke hört von unten den lauten Knall. „Im ersten Moment dachte ich, der Kleine wäre aus dem Bett gefallen“, sagt sie. Sie schaut nach – und findet ihren Mann regungslos am Boden liegen. Gedankenschnell alarmiert sie den Notarzt. Ihr Mann kommt auf die Schlaganfall-Spezialstation (Stroke Unit) des Bundeswehrkrankenhauses (BWK). Dort die Schockdiagnose: Schlaganfall. Dem damals 42-Jährigen ist die Halsschlagader gerissen. „Das hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen“, gibt Mutter Anke offen zu.

 

Ralf Illing ist zu diesem Zeitpunkt kein typischer Schlaganfall-Patient: Er ist sportlich, hat keine Vorerkrankungen. Am Abend zuvor hat er noch Tennis gespielt. Auf dem Heimweg bekommt er Kopfschmerzen, die er darauf zurückführt, dass er zu wenig getrunken habe. „Abends bin ich ganz normal ins Bett gegangen – morgens waren die Kopfschmerzen weg“, erzählt er. Jetzt liegt er im Krankenhaus. In einer mehrstündigen Not-OP kämpfen die Ärzte um das Leben des dreifachen Familienvaters. Mit Erfolg. Doch für seine Frau und die drei gemeinsamen Kinder sind es bange Stunden. „Wir wussten nicht, was passiert und wie es mit ihm weitergeht“, sagt Anke Illing. Die Kinder fragen sie sogar, ob ihr Papa sterben würde.

 

14 Tage liegt der Informatiker halbseitig gelähmt im Krankenhaus. „Ich war heilfroh, dass ich mich überhaupt artikulieren konnte“, sagt er heute. Fünf lange Wochen Reha folgen. In unzähligen Einheiten Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie arbeitet Ralf Illing hochmotiviert daran, wieder in ein normales Leben zurückzufinden. Heute, zwei Jahre später, hat er sich gut von seinem Schlaganfall erholt.  Er absolviert eine Wiedereingliederung, arbeitet 6,5 Stunden als Wirtschaftsinformatiker und drischt wieder Tennisbälle über den Platz. „Natürlich habe ich noch leichte Einschränkungen, durch die Halbseitenlähmung. Das merke ich auf dem Tennisplatz, da fehlt es mir etwas an Dynamik“, erklärt er. Doch daran will der ehrgeizige Illing ebenso arbeiten wie daran, wieder auf sein volles Arbeitspensum zu kommen.

Ganz so wie früher sei sein Leben nicht mehr, aber damit habe er sich gut arrangiert. Um besser mit den Folgen des Schlaganfalls umgehen zu können, haben Ralf Illing und seine Frau Anke am Erfahrungsaustausch der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe in Duisburg teilgenommen.

Der Austausch mit anderen Betroffenen und Familien war unglaublich hilfreich und wertvoll.
Ralf und Anke Illing

Der Erfahrungsaustausch der Schlaganfall-Hilfe ist eine mehrtägige Veranstaltung, bei der Schlaganfall-Betroffene und Angehörige gemeinsam mit professionellen Therapeutinnen und Therapeuten in Workshops an der Krankheitsbewältigung und anderen Themen arbeiten.

 

Von seinen Erfahrungen möchte Ralf Illing etwas zurückgeben. Um andere Betroffene selbst zu unterstützen, hat er deshalb die Schlaganfall-Selbsthilfegruppe in Ulm gemeinsam mit ihrer früheren Leiterin Annemarie Erhardt (ebenfalls für den Motivationspreis nominiert) wiederbelebt. Seitdem trifft sich die Gruppe jeweils am dritten Donnerstag im Monat.

 

: Motivationspreis 2024

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