Ein hinkender Gang, eine gelähmte Hand – solche Merkmale verbinden viele Menschen mit einem Schlaganfall. Doch kaum bekannt ist, dass rund 80 Prozent der Betroffenen an den unsichtbaren Folgen dieser Krankheit leiden. Zu den häufigsten neuropsychologischen Funktionsstörungen nach Schlaganfall zählen Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite, oft einhergehend mit Gedächtnislücken und Planungsstörungen. Nicht selten sind Patienten schon mit der Organisation ihres Einkaufs überfordert. Ebenfalls häufig kommt es zu Sprach- oder Sehstörungen. Hinzu kommen oft emotionale Veränderungen, die vor allem die Beziehung zu Partnern und Angehörigen belasten.
Die Erkrankung verstehen lernen
Für die Betroffenen ist es schon eine große Herausforderung, ihre Erkrankung zu verstehen. „Ich versuche oft, Vertrauenspersonen der Patienten in den Prozess einzubeziehen“, sagt Dr. Caroline Kuhn, Leiterin der Neuropsychologischen Lehr- und Forschungsambulanz der Universität des Saarlandes. "Dadurch bekommen die Patienten eine andere Sichtweise und es entsteht ein klareres Bild der Problemlage."
Das Gehirn braucht viele Pausen
Betroffene mit neuropsychologischen Funktionsstörungen brauchen viel Geduld. "Sie müssen sich darauf einstellen, dass es anderthalb bis zwei Jahre dauert, bis sie stabile Verbesserungen spüren", sagt Caroline Kuhn, "und das Gehirn braucht gerade in den ersten 18 bis 36 Monaten nach dem Schlaganfall extrem viele Erholungspausen."
Auch in der Neuropsychologie spielt das Eigentraining eine wichtige Rolle. Ein Patient mit einer Planungsstörung kann schon mit seiner Morgentoilette überfordert sein. Helfen kann zum Beispiel eine knappe, stichwortartige Handlungsanleitung, die am Badezimmerspiegel klebt, den täglichen Ablauf zu üben.
Offener Umgang mit der Erkrankung
Problematisch kann die Suche nach einer ambulanten Therapie sein. Es gibt schlicht zu wenig niedergelassene Neuropsychologinnen und -psychologen. Dr. Caroline Kuhn empfiehlt Patienten, die keinen Termin bekommen, sich zunächst an Ergotherapeuten zu wenden, die auf neurologische Erkrankungen spezialisiert sind.
Familie, Freunde und Arbeitskollegen sollten insbesondere in der ersten Zeit nach dem Schlaganfall besonders einfühlsam mit den Betroffenen umgehen. Patienten rät Caroline Kuhn, "offen zu kommunizieren, dass ihre Belastungsgrenzen reduziert sind. Dann kann auch das Umfeld besser damit umgehen. Das ist kein Grund, sich zu schämen."